Mehrphasenfahrausbildung

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Das Unfallrisiko von Fahranfängern ist überproportional hoch. Seit dem Jahr 2003 haben daher alle Fahranfänger der Führerscheinklassen A und B in Österreich innerhalb des ersten Jahres nach Erwerb des Führerscheines noch Fortbildung zu absolvieren. Die Verkehrsunfälle der jungen Fahrer gingen seither um fast 30% zurück, trotz in etwa gleichbleibender Anzahl von Führerscheinneulingen. Es liegt nahe, dass durch den Mehrphasenführerschein beträchtliches menschliches Leid verhindert wurde und auch immense volkswirtschaftliche Kosten aufgrund geringerer Unfallkosten eingespart wurden.


Gesetzlicher Überblick

Seit 1. Jänner 2003 ist das Gesetz über die zweite Ausbildungsphase in Österreich in Kraft (§§ 4a, 4b und 4c FSG) – die so genannte„Mehrphasenfahrausbildung“. Innerhalb des ersten Jahres nach Erwerb der Fahrerlaubnis hat jeder Fahranfänger noch folgende Fortbildungen zu absolvieren:

1. Erste Feedbackfahrt im Straßenverkehr (2 - 4 Monate nach Führerscheinerwerb)

2. Ein Fahrsicherheitstraining inklusive eines zweistündigen Gruppengesprächs (3 - 9 Monate nach Führerscheinerwerb)unter der Leitung eines speziell geschulten Verkehrspsychologen

3. Eine zweite Feedbackfahrt (zwischen 6 - 12 Monate nach Führerscheinerwerb).


Bei L 17 Ausbildung (vorgezogene Lenkberechtigung) ist die erste Feedback-Fahrt nicht zu absolvieren.

Bei der Führerscheinklasse A (Motorrad) sind beide Feedback-Fahrten nicht zu absolvieren.


Im Gesetz wird der Mehrphasenführerschein als „zweite Ausbildungsphase“ bezeichnet. Das ist aus juristischer Sicht verständlich, zumal die Grundausbildung seit langem gesetzlich geregelt ist und nun eine weitere Phase nach dem Erwerb des Führerscheines hinzugekommen ist. Der Begriff Mehrphasenfahrausbildung hat sich aber in der Fachwelt durchgesetzt, weil er die Idee der kontinuierlichen Fortbildung durch mehrere Fortbildungsmodule im Sinne eines harmonisch aufeinander abgestimmten Kontinuums widerspiegelt. Keinesfalls sollte der Mehrphasenführerschein nur als noch zu absolvierendes „Anhängsel“ an die Grundausbildung in der Fahrschule wahrgenommen werden.


Feedback-Fahrten

Feedback-Fahrten bzw. Perfektions-Fahrten Im Rahmen der Feedbackfahrten wird speziell auf das Blickverhalten, eine defensive Fahrweise und auf spritsparendes Fahren geachtet. Die besondere Herausforderung an die Fahrlehrer ist dabei der Fortbildungscharakter, statt des bisherigen Ausbildungscharakters dieser jeweils zweimal 50 Minuten dauernden Fahrten inklusive Besprechung. Auf Wunsch eines Österreichischen Politikers wurden die Feedbackfahrten im Gesetz Perfektionsfahrten genannt. Nichts desto trotz liegt der eigentliche Charakter dieser Fortbildungen darin, dass der Führerscheinneuling professionelles Feedback erhält. Dieser Idee liegt der Umstand zugrunde, dass der Straßenverkehr ein eher Feedbackarmes Umfeld darstellt, welches sehr viele Fehler verzeiht. Selten folgt auf ein Fehlverhalten ein Unfall oder ein Verkehrskonflikt, dessen Erkennen überhaupt erst einen Lernzuwachs ermöglichen würde. Die Feedback-Fahrten haben die Aufgabe dieses Defizit zu kompensieren, und den Erfahrungsgewinn durch systematisches und richtiges Feedback zu beschleunigen.


Fahrsicherheitstraining

Das Fahrsicherheitstraining besteht aus einer Stunde Theorie und fünf Stunden (jeweils a 50 Minuten) praktischem Training. Übungen die zur Selbstüberschätzung führen können, sind zu vermeiden. Bremsübungen sowie die Demonstrationen der fahrphysikalischen Grenzen stehen im Mittelpunkt. Gefahrenvermeidung ist das vorrangige Lernziel.


Verkehrspsychologisches Gruppengespräch

Das zweimal 50 Minuten dauernde verkehrspsychologische Gruppengespräch findet am selben Tag mit dem Fahrsicherheitstraining statt. Allgemeine Risikofaktoren bei Fahranfängern, insbesondere die Problematik der Alleinunfälle (mehr als 50% der tödlichen Fahranfängerunfälle) sind Gegenstand der ersten 50 Minuten Einheit. Die zweite Einheit ist der individuellen Risikobetrachtung im Sinne von Selbstreflexion vorbehalten.

Motorradfahrer brauchen keine Feedbackfahrten zu absolvieren, jedoch ein eigenes Fahrsicherheitstraining (6 Stunden) samt Verkehrspsychologie (2 Stunden) speziell für das Motorradfahren.

L 17 Fahrern wird die erste der beiden Feedbackfahrten erlassen. Man ging damals davon aus, dass sie im Zuge der Ausbildung verpflichtenden 3.000 km bereits vorerst intensiv Feedback erhielten.


Konsequenzen bei Nicht-Absolvierung

Wenn Fortbildungsschritte unterlassen werden, kommt es nach einer automatischen Erinnerung durch das zentrale Führerscheinregister mit Setzung einer Nachfrist, bei weiterer Unterlassung auch zu einer einjährigen Fristverlängerung des Probeführerscheins und schließlich auch zur Entziehung der Lenkberechtigung.

Da es keine Prüfungen gibt, ist ein Durchfallen nicht möglich. Allein die aktive Teilnahme zählt.

Fahrschulgrundausbildung

Aus politischen Gründen wurden zeitgleich mit Einführung der Mehrphasenausbildung die gesetzlich verpflichtenden Mindesttheoriestunden im Rahmen der Grundausbildung von 40 auf 32 und die praktischen Fahrstunden von 20 auf 18 reduziert. Somit sollte eine etwaige Verteuerung der Führerscheinausbildungskosten vermieden werden. Die Anforderungen für die Fahrprüfung blieben unverändert. Weiter Veränderungen der Mindeststunden folgten nach 2003.


Mehrphasen-Evaluation

Die erste Evaluationen zeigten eine überdurchschnittlich positive Kunden-Zufriedenheit und schon von Beginn an deutliche Rückgänge bei den Unfallzahlen. So waren bereits im 1. Halbjahr 2005 die bis vor dem Jahr 2003 steigenden Verkehrsunfälle mit Personenschaden in der Gruppe der 18- und 19-jährigen PKW-Lenker viermal so stark rückläufig wie bei allen anderen Altersgruppen: Bis zum 1. Halbjahr 2005 kam es zu einem kontinuierlichen Unfallrückgang um 11,2% gegenüber dem 1. Halbjahr 2003, wo der Mehrphasenführerschein noch nicht wirken konnte. Bei allen anderen Altersgruppen betrug der Rückgang im selben Zeitraum nur 2,1% (Bartl & Esberger, 2006).


Die zweite Evaluation wurde von Gatscha & Brandstätter (2007, 2008 und 2008a) publiziert. Sie konnten aufzeigen, dass die drei Jahrgänge der jeweils 18-jährigen Führerscheinneulinge nach Einführung des Mehrphasenführerscheines ab dem Jahr 2003 im jeweils ersten Führerscheinjahr um 28,3% weniger Unfälle aufwiesen als die drei Jahrgänge der 18-jährigen Führerscheinneulinge in den drei Jahren vor der Einführung des Mehrphasenführerscheines. Im zweiten Führerscheinjahr betrug der Unterschied sogar 29%.


Mehrphasen-Historie

Als Vorläufer für die Mehrphasenfahrausbildung gilt der ab August 1999 unter dem damaligen Verkehrsminister Caspar Einem für etwa zwei Jahre dauernde Pilot „Road Expert“. Dieser wurde vom Institut für Fahrsicherheitstrainings (Kurt Sklar und Susanne Kern) initiiert und geleitet: Auf freiwilliger Basis konnten Fahranfänger an der Aktion des Verkehrsministers „Road Expert“ zwischen August 1999 und Dezember 2001 teilnehmen. Es handelte sich dabei um ein Fahrsicherheitstraining für PKW- und Motorrad-Fahrer, erstmals inklusive eines einstündigen verkehrspsychologischen Gruppengesprächs, dessen Programm vom österreichischen Verkehrspsychologen Gregor Bartl gänzlich neu entwickelt wurde. Der finanzielle Selbstbehalt für die Teilnehmer war wegen der Förderung durch den Verkehrssicherheitsfonds des Verkehrsministeriums relativ gering. Ca. 13.500 Probeführerscheinbesitzer nahmen an einem eintägigen Fahrsicherheitstraining inklusive des einstündigen verkehrspsychologischen Gruppengesprächs teil. Die Kundenzufriedenheit dieser im Wesentlichen freiwilligen Teilnehmer war groß. So meinten beispielsweise 98% der Teilnehmer im Rahmen einer anonymen Fragebogenstudie, dass jeder Fahranfänger an so einem „Road Expert“-Training teilnehmen sollte (Bartl & Piringer, 2002).

Am 23. August 2000 wurde auf einer Pressekonferenz mit dem damaligen Verkehrsminister Michael Schmid vom Studienautor Gregor Bartl das als wissenschaftliche Basis für die Mehrphasenfahrausbildung dienenden EU-Projektes „DAN“ (Description and Analysis of post Licensing Measures, Bartl 2000) der Öffentlichkeit präsentiert. Auf dessen Basis wurde sodann das auf österreichische Verhältnisse maßgeschneiderte Konzept einer Mehrphasenfahrausbildung entwickelt (Bartl, 2000a).

Unter dem damaligen Verkehrsminister Schmid wurde ein Expertenteam gebildet, welches von nun an Grundlagen für die politische Umsetzung der Mehrphasenfahrausbildung in Österreich vorantreiben sollte: Dieses Team bestand neben Gregor Bartl aus den beiden Juristen Wilhelm Kast und Wolfgang Schubert seitens des Verkehrsministeriums, Norbert Hausherr und Michael Grubmann seitens der Fahrschulen, Herbert Hübner und Peter Angermayr seitens des ARBÖ, Franz Wurz, Erich Sedelmayer, Peter Supp, Ursula Zelenka und Hugo Haupfleisch seitens des ÖAMTC, Kurt Sklar und Susanne Kern seitens der Initiative für Fahrsicherheitstrainings und Armin Kaltenegger seitens des Kuratoriums für Verkehrssicherheit.

Die darauffolgende Verkehrsministerin Monika Forstinger setzte sich auch für den Mehrphasenführerschein ein, forderte aber, dass es dadurch zu keiner wesentlichen Verteuerung der Fahrausbildung kommen solle.

Nach 2 Jahren kam es trotz Unterstützung durch den nun amtierenden Verkehrsminister Mathias Reichhold zum Stocken in der politischen Entscheidungsfindung. Schließlich nahmen sich die Medien dieses wichtigen Verkehrssicherheitsthemas an. In der ORF-Fernsehsendung Help-TV am 12. Juni 2002 diskutierten Verkehrsminister Mathias Reichhold und Verkehrspsychologe Gregor Bartl mit anderen Gästen zu diesem Thema. Einige Tage darauf wurde die Mehrphasenfahrausbildung mit den Stimmen aller vier Parlamentsparteien beschlossen. Ab Jänner 2003 folgte die Umsetzung ohne wesentliche Probleme und bereits von Beginn an sanken die Unfallzahlen.

Ende 2002 kam es zu einem starken Vorzieheffekt in den Fahrschulen. Man konnte sich noch bis Ende 2002 zur Fahrschulausbildung behördlich anmelden und dann bis Juli 2003 mit der Ausbildung nach der alten Ausbildungsordnung beginnen. Das erste Fahrsicherheitstraining fand überhaupt erst am 3. August 2003 statt.

Es wurde angestrebt, dass es für jeden Fahranfänger zumutbar war ein Fahrsicherheitszentrum zu erreichen. Um diese Flächendeckung für die österreichischen Fahrschüler zu gewährleisten wurden seither zahlreiche Fahrsicherheitszentren errichtet. Heute stehen etwa 50 Zentren den Fahranfängern zur Verfügung.


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